Häufig werden wir vor allem von Schülern nach der "richtigen" Menge an Zitaten und Quellen gefragt. Da sich das erstens nicht pauschal beantworten lässt und zweitens die Anzahl der Zitate nicht automatisch Rückschlüsse auf die Textqualität erlaubt, möchte ich in diesem Beitrag ein paar Dinge zum Zitieren loswerden, die für euch vielleicht hilfreich sind.
Das Zitieren ist innerhalb der Wissenschaftskommunikation eines der zentralsten Elemente und aus beinahe keinem Fachbereich wegzudenken. Die Tradition des Verweisens auf andere Werke, andere Meinungen und andere Ideen ist zwar grundsätzlich beinahe so alt wie das Schreiben selbst, nur hat man es in früheren Zeiten mit dem Verweisen nicht ganz so genau genommen.
Die Schreiber der Antike haben in ihre Texten und Beschreibungen von Schlachten zwar auch gerne die Information eingefügt, von wem sie was oder über wen sie was gehört oder gelesen haben, diese Informationen waren jedoch häufig nicht nur ungenau, sondern auch teilweise schlicht erfunden.
Trotzdem werden die Berichte z.B. antiker Historiker heute von der Forschung weitgehend als historische Quellen akzeptiert, wenngleich sie nach heutigen Maßstäben durchaus oft nicht mehr als "wissenschaftlich" zu betrachten sind (und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer mangelhaften oder fehlenden Zitationen).
Das Zitieren dient im Wesentlichen der Kenntlichmachung von Ideen, Gedanken oder Argumentationen, die nicht von einem selbst, sondern von jemand anderem stammen, soweit so gut. Klar ist aber auch, dass - ich vergleiche das sehr gerne mit dem Komponieren von Songs - auch ohne böse Absicht unterschiedliche Menschen voneinander unabhängig zu gleichen Ideen und Sprachmustern kommen können, ohne davon Kenntnis zu haben, dass evtl. die gleiche Idee, der gleiche Satz, die selbe Argumentation bereits besteht.
Darüber hinaus wird das Zitieren innerhalb der scientific community auch in Form einer Art Metakommunikation genutzt: Man nimmt Bezug auf andere Texte und damit auf andere Autoren, kritisiert, stimmt zu und macht im Medium Text nichts anderes, als zu diskutieren. Im Gegensatz zu Facebook dauert die Antwort aber meist länger. Auch hierfür wird zitiert.
Klar ist aber auch, dass ein anständiger wissenschaftlicher Text ohne Zitate nur schwer auskommt, da er ja nicht ausklammern kann, welche Forschungsergebnisse und Argumentationen zum bearbeiteten Thema bereits bestehen. Aber auch hier gilt: Kein Forscher der Welt kann alle Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Thema, die weltweit produziert werden, zu allen Zeiten überblicken, auch das klingt relativ einleuchtend, vor allem vor dem Hintergrund, dass im 21.Jhdt. täglich mehr Text produziert wird als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte, das gilt auch für die Wissenschaftsdomäne.
Wenn nun Schüler oder Studierende an einem wissenschaftlichen Text arbeiten und von ihren Lehrern oder Dozenten gebeten werden, zum Thema passende Literatur zu suchen, dann geschieht das nur zu dem Zweck, dass ein Teil der Benotungskriterien für die jeweilige Arbeit jener ist, dass sich der Schüler oder Studierende einen - meist sehr rudimentären - Überblick über ein bestimmtes Thema bzw. eine bestimmte wissenschaftliche Fragestellung verschaffen soll. In diesen Fällen gilt: Alles, was aus dieser gesuchten Fachliteratur (meistens sind dies dann sog. Sekundärquellen, aber dazu bei einem anderen Eintrag mehr) als Informationsquelle herangezogen wird, muss auch als aus dieser Literatur stammend gekennzeichnet werden.
Schüler sind dann häufig verunsichert und beginnen praktisch jeden Begriff zu zitieren, um ja nicht in den Verdacht zu geraten, Verweise nicht kenntlich gemacht zu haben. Wenn ich als Lektor dann aber einen Text lese, der sich mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und der Verfasser des Textes führt ein eigenes Zitat an, um zu klären, dass z.B. der Zweite Weltkrieg ein globaler militärischer Konflikt in den Jahren 1939 bis 1945 war, dann muss ich als Leser das Gefühl bekommen, dass mich der Verfasser wohl nicht ganz ernst nimmt.
Warum ist das so? Es gibt Wissen, welches als stehendes Wissen, als common sense, evtl. auch als Allgemeinwissen gelten kann und bei dem davon auszugehen ist, dass die meisten Menschen zumindest eine grundlegende Ahnung von der Thematik haben. Ein Schüler, der sich intensiv - um bei unserem Beispiel zu bleiben - mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt, sollte sich in jedem Fall auch vorab bereits mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt haben, da er sonst aus seinem persönlichen Interesse heraus ja vermutlich gar nicht das Thema Nationalsozialismus gewählt hätte.
Wäre durch eine überbordende Verwendung von Zitaten und ein reflexartiges Verweisen auf alle Begriffe oder Abkürzungen ein umfangreicher Fußnotenapparat zu erwarten? Auf jeden Fall.
Wäre dadurch aber auch gleichzeitig eine gute wissenschaftliche Arbeit zu erwarten, bei der der Verfasser ernst genommen werden kann? Keinesfalls.
Was folgt daraus? Grundsätzlich ist es absolut wichtig und richtig, dass man alles, was man aus den verwendeten Büchern nimmt, auch als fremdes Gedankengut kennzeichnet. Es ist aber nicht notwendig, dass man Sachverhalte belegt, die sowohl der Leser als auch der Verfasser bereits vor der Beschäftigung mit den Sekundärquellen gekannt oder gewusst haben muss, um sich überhaupt mit der Thematik auseinandersetzen zu können. Ich hoffe, dass klar ist wie ich das meine!?!?
FAZIT: Zitieren ist ein zentraler Bestandteil wissenschaftlicher Kommunikation und dient sowohl als eine Art Metakommunikation (also eine Art Kommunikation über das Medium Text) zwischen Autoren und Forschern als auch als Möglichkeit der Einbindung fremder Inhalte, Ideen und Begriffe in den eigenen Text. Das Zitieren ist aber quantitativ kein Indikator für einen guten Text. Viel entscheidender ist die Qualität der herangezogenen Quellen, die korrekte Wiedergabe der darin liegenden Informationen sowie die adäquate Verknüpfung mit eigenen Ideen sowie anderen Werken zum Thema. Bei erfahrenen Schreibern ergibt sich aufgrund der Expertise in ihrem Fachbereich zwar meist automatisch ein sehr umfangreicher Quellenapparat (aber auch das ist oft vom jeweiligen Autor abhängig), Schüler und Studierende zu Beginn des Studiums (z.B. bei Proseminararbeiten) sollten sich aber lieber auf wesentliche und zentrale Standardwerke des jeweiligen Themas konzentrieren und zunächst einmal versuchen, deren Inhalte adäquat zu überblicken, bevor sie versuchen, den gesamten Forschungsbestand zum Thema zu überblicken, was ohnehin kaum bis gar nicht gelingt, auch nicht den Profis!
In diesem Sinne:
Alles Gute inzwischen,
Martin von SCRIBENDO :-)
Comments